Wie funktioniert Coaching? Es könnte auch alles ganz anders sein
Effizienz durch Gewissheiten
Jeder Mensch bildet recht stabile Erwartungen darüber aus, wie die Welt (und man selbst als Teil davon) funktioniert. Die Erwartungen kommen z. B. in Form von Werten, Grundhaltungen, Glaubenssätze, Definitionen, Gefühlen und als Weltbild daher: «Im Restaurant gibt es eine Speisekarte» oder «Wenn ich mich anstrenge, dann schaffe ich das».
Das ist überaus praktisch. Man muss nicht jedesmal herausfinden, von was man eigentlich ausgeht, was man sich wünscht, wie man sich etwas erklärt oder etwas bweretet. Das ermöglicht uns einen Grossteil des Alltags im Modus «Autopilot» zu bewältigen.
Gewissheiten, die keine sind
Persönlich nehmen wir unsere Annahmen über die Welt als Gewissheiten wahr. Dass diese Gewissheiten nicht gewiss sind, merkt man z. B. daran, dass verschiedene Menschen etwas sehr unterschiedlich wahrnehmen, beschreiben, erklären und bewerten (auch emotional). Was für die einen selbstverständlich ist, kann für andere unvorstellbar sein. Es könnte auch alles ganz anders sein.
Coaching heisst, Gewissheiten destabilisieren können
Für Coaching ist diese Annahme notwendig. So kann man gemeinsam untersuchen, wie Menschen etwas erleben. Und man kann herausfinden, ob andere Beschreibungen, Erklärungen und Bewertungen möglich und hilfreich sind.
Das Wort Gewissheit lässt erahnen, wie schwierig dieser Prozess sein kann. Glaubenssätze wie «Ich muss perfekt sein, damit man mich liebt» oder «Wenn ich im Beruf erfolgreich bin, werde ich glücklich» wirft man nicht mal eben über Bord. Werden diese Gewissheiten destabilisiert, führt dies zu Verwirrung und Unsicherheit (zumindest solange unklar ist, was eine neue Gewissheit sein könnte). Eine Abkürzung gibt es nicht. Aber es gibt etwas zu gewinnen: Veränderung, die sich so nennen darf.
Damit das gelingt brauchen Klientinnen und Klienten ein Gegenüber, das es ihnen ermöglicht, Gewissheiten infrage zu stellen, die damit verbundenen Verwirrung und Unsicherheit auszuhalten und neue, eigene Gewissheiten zu entdecken.
Was bedeutet das für den/die Coach?
Auch als Coach macht man sich ein Bild davon, um was es beim Coachee gehen und was hilfreich sein könnte. Auch wenn man noch zu überzeugt ist zu verstehen oder zu wissen, Gewissheit gibt es auch hier nicht. Es bleibt ein Bild, und das kann für das Gegenüber völlig unbrauchbar und bedeutungslos sein.
Auf Seiten der Person die coacht braucht es dazu eine Haltung die von Demut, Bescheidenheit und Neugier geprägt ist. Man darf sich nicht in die eigene Sicht verlieben. Es braucht die Grösse, eigene Ideen loszulassen, wenn sie für das Gegenüber nicht nützlich sind. Man muss sich selbst infrage stellen, die eigenen Verwirrung und Unsicherheit zulassen, aushalten und erkunden können. Denn:
Es könnte auch alles ganz anders sein.
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Hier geht es zu Teil 1 der Miniserie: «Anerkennen was ist»